Flaschenpost aus dem KZ
Flaschenpost aus dem KZ
Gedichte und Lieder
Vera Hozáková, geboren 1917, war als junge Architekturstudentin in der tschechischen Kommunistischen Partei, wurde deshalb mit 24 Jahren von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort musste sie in der SS-Bauleitung arbeiten, wo sie zusammen mit Vlasta Kladivová heimlich das Material für ein Gedichtbuch organisierte, Gelegenheit hatte, ihre eigenen und die anderen Gedichte mit Tinte niederzuschreiben und die Illustrationen zu zeichnen. Die in diesem Büchlein heimlich gesammelten Gedichte und Lieder aus 11 Nationen stehen im Mittelpunkt der Lesung.
Die Ankunft
Die Nacht war sternenhell,
da brannte das Herz noch,
die Nacht war sternenhell
und leuchtete über die Erde.
Hinter dem Stacheldraht neigte sich der Kopf
wund von unerfüllter Liebe.
Lang wachte ich auf dem schmutzigen Stroh.
Gegen Morgen erwischte mich der Schlaf traumlos.
Wie ein Albtraum aber das Erwachen:
Die Sirene riss mich aus dem Schlaf.
Zuerst sah ich die feuchte Ecke der Baracke.
Ich bibberte vor Frost und Trauer
und blinzelte nach einem Menschen:
Da war aber unter den vielen kein Wesen.
An diesem Morgen war die Liebe
bei allen Frauen rings wie abgestorben,
als wäre sie für immer fort.
Tief traurig war ich.
Aber das ist jetzt vorbei.
Denn mich durchfuhr ein seltsames Zittern
und alles war anders.
Hände ergriffen nun Hände
von Frau zu Frau und immer weiter.
Tief traurig war ich.
Aber das ist jetzt vorbei.
Vera Hozáková, Ravensbrück 1942
Nachdichtung: Wolfgang Fietkau
Gedicht "Der Wind weht weinend über die Ebene" anhören (mp3)
von Katja Spurova, verfasst im KZ Ravensbrück