Aufbau der Projektmappe
Jeder der acht Bausteine hat als Motto ein Menschenrecht, das mehr oder weniger stark in den Verlauf der Unterrichtseinheit einbezogen werden kann. Hauptsächlich geht es aber darum, die Bedeutung eines Kampfes um Menschenwürde zu entfalten.
Die Bausteine haben folgende thematischen Schwerpunkte und Zielsetzungen:
Baustein 1: (Über-)Leben im Konzentrationslager – die Botschaft des Schmuggelfundes:
Es sollen Zugänge zum Schmuggelfund aus Geschichte und Gegenwart über Arbeitsblätter und Hörbeispiele geschaffen werden. Soll zunächst eine eigene Definition von Menschenwürde gefunden und ausgedrückt werden, so geht es im weiteren darum, die entwürdigende und rechtlose Lage von KZ-Häftlingen zu analysieren und die Möglichkeiten von Selbstbehauptung in aussichtsloser Lage auszuloten.
Baustein 2: Konzentrationslager und Menschenwürde – einem Überlebenden zuhören:
Im Mittelpunkt steht hier die Auseinandersetzung mit Auszügen aus einem Interview mit dem slowakischen Ravensbrück-Überlebenden Peter Havaš, der als Kind im Männerlager des KZ Ravensbrück inhaftiert war. Die Verletzungen der Menschenwürde einerseits, das Recht auf personale Identität andererseits wahrnehmen zu lernen, ist das Ziel dieses Bausteins. Im weiteren bieten die Überlegungen zur Menschenwürde des KZ-Überlebenden Möglichkeiten, die Problematik KZ und Menschenwürde zu reflektieren.
Baustein 3: Entwürdigung und grausame Behandlung – Gedichte genau lesen:
Am Beispiel der Analyse zweier Gedichte, die im KZ Ravensbrück entstanden sind und Bestandteil des Schmuggelfundes sind, werden die Chancen und Grenzen von Sprache angesichts von Grausamkeit und Erniedrigung deutlich. Ziel ist es zu erkennen, worin die Verbindung von Menschenwürde, Menschenrechte und poetischer, künstlerischer, musikalischer Sprache bestehen kann. Wie sich Entwürdigung und grausame Behandlung auf die Sprachfähigkeit auswirkt, ist ein weiteres, auch auf die heutige Lebenswelt bezogenes Ziel.
Baustein 4: Nach Gott fragen – eine Ausstellung zum Gedichtzyklus „Letzte Augenblicke“:
Hier sollen neun Gedichte aus dem Schmuggelfund, in denen die verschiedenen Phasen imaginiert werden, die eine auf ihre Hinrichtung wartende Person durchlebt, in einer Ausstellung präsentiert werden.Über Collagen aus Wort und Bild können die extremen Menschenrechtsverletzungen im KZ, aber auch die Möglichkeiten von Selbstbehauptung und Selbstausdruck in aussichtsloser Lage verarbeitet werden. Neben der kognitiven und emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema Tod geht es um einen kreativen Umgang mit den historischen Dokumenten und poetischen Zeugnissen für eine menschenwürdige Erinnerung.
Baustein 5: Kunst als Strategie der Erinnerung – ein filmisches Denkmal gestalten:
Die Ziele sind ähnlich wie in Baustein 4, doch soll hier der Blick auf die wenigen biographischen Spuren der polnischen Frauen und Mädchen gerichtet werden, die Opfer von Erschießungen und medizinischer Experimente wurden. Vorgestellt wird hier, welche Möglichkeiten darin liegen, über das Erstellen eines einfachen Videoclips aus Fotos, Dokumenten, eigenen Worten und Musik eine menschenwürdige Erinnerung zu schaffen.Im Prozess der Entstehung wird es auch darum gehen, sich mit den eigenen Gefühlen und Gedanken zum Thema Gefangenschaft auseinanderzusetzen.
Baustein 6: Polinnen – Arbeit an Vorurteilen:
Hier werden explizit historische und aktuelle Dokumente nebeneinander gestellt, so zum Beispiel Propagandasprüche gegen Polen aus der NS-Zeit und ein NPD-Plakat mit der Parole „Polen-Invasion stoppen“. Die Annäherung an das Thema Sklavenarbeit und Menschenbild im NS erfolgt über Vorurteile und Stereotypen gegen andere Nationalitäten. Analysiert werden im weiteren die verschiedenen Perspektiven auf Erniedrigung und Ausgrenzung damals und heute.
Baustein 7: Die Sehnsucht nach Rache – eine Radiosendung:
Im Zentrum steht ein Rachegedicht, das in Auschwitz entstand, nach Ravensbrück mitgebracht wurde und unter vielen Polinnen einen Hymnenstatus einnahm. Mit diesem historischen Zeugnis sowie mit Aussagen Überlebender wird an der Erkenntnis gearbeitet, dass Hass und Rachebedürfnis bei KZ-Häfltingen existierten und überlebenswichtig sein konnten, diese Gefühle auf Dauer jedoch nicht lebensfähig machen. Auch in heutiger Lebenswelt begegnet man Rachegefühlen, und es wird die Frage diskutiert, welcher Umgang damit gefunden werden könnte und worin der Unterschied zwischen rechtlicher Ahndung von Verbrechen im Gegensatz zu selbsttätigen Racheakten besteht.
Baustein 8: Zur Verantwortung gezogen – ein Gerichtsprozess gegen die Lagerärzte:
Die im Schmuggelfund zentral dokumentierten Zwangsoperationen von polnischen Frauen und Mädchen wurden bewusst in die Nachkiegsperspektive einer juristischen Ahndung gestellt. Damit wird dazu aufgefordert, die Kenntnisnahme und Beschreibung dieser Verbrechen von vornherein zu verbinden mit einer Analyse der Perspektiven von Gericht, von Tätern und von Opfern sowie einer Beurteilung derselben. Damit soll zum einen einer voyeuristischen Sicht auf die Fakten vorgebeugt werden, zum anderen kann es auch eine entlastende Funktion haben, wenn diese extreme Form von Menschenrechtsverletzung vor Gericht verhandelt wird – ein Umstand, der den historischen Tatsachen ja auch entspricht. Aus Unterlagen über den Nürnberger Ärzteprozess von 1946/47 soll hier ein Gerichtsverfahren nachgestellt werden. Dies erfordert das (arbeitsteilige) Studium der Täter und Opferperspektive und einen quellenkritischen Umgang mit den Dokumenten. Deutlich werden darüber hinaus die Schwierigkeiten, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu ahnden.
Die vorgeschlagenen Abläufe eignen sich für einen fächerübergreifenden Unterricht, für Projekttage oder eine Projektwoche, aber auch für kleinere Unterrichtseinheiten von einer Doppelstunde oder zwei Doppelstunden.