Jadwiga Dzido
(verheiratete Hass)
Zeugin der Anklage im Nürnberger Ärzteprozess 1946/47
wurde am 26. Januar 1918 in Suchowola geboren. Sie wächst in Łuków auf. 1938 beginnt sie ein Pharmaziestudium an der Warschauer Universität. In Łuków, wo sie im Sommer nach dem ersten Studienjahr in einer Apotheke arbeitet, wird sie vom Ausbruch des Krieges überrascht. Sie schließt sich dem polnischen Widerstand, der Untergrundarmee ZWZ (Związek Walki Zbrojnej – Verband für den bewaffneten Kampf), an und beteiligt sich an der Verbreitung illegaler Presseartikel. Gleichzeitig arbeitet sie in der Apotheke.
Am 28. März 1941wird sie von der Gestapo verhaftet und zunächst in einem Gefängnis in Radzyń und dann im Gefängnis Lubliner Schloss inhaftiert. Um Namen zu erpressen, foltert die Gestapo sie schwer. Da sie in einer Apotheke gearbeitet hat, wird sie verdächtigt, Gifte für illegale Organisationen vorbereitet zu haben.
Mit dem Transport vom 21. September 1941 wird sie in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort bekommt sie die Häftlings-Nummer 7860 und muss schwere Zwangsarbeit leisten, unter anderem beim Bau von Baracken und beim Transport von Baustoffen. Später näht sie die Kleidung für die Deutschen und stellt Schuheinlagen für Soldaten her. Die ganze Zeit versucht sie, ihre Ausbildung fortzusetzen, und lernt Fremdsprachen von anderen Häftlingen.
Im November 1942 wird Jadwiga Dzido mit neun weiteren Frauen zwangsoperiert, wobei ihr Bakterien injiziert werden. Über die kommenden Wochen bis Januar 1943 fehlt ihr die Erinnerung, da sie schweres Fieber bekommt und nicht bei Bewusstsein ist. Ihr Bein ist angeschwollen und der Schmerz unerträglich. Später machen die Ärzte ihr einen Schnitt entlang der Wade. Es kommt zu Muskelschwund. Die Nerven werden teilweise zerstört. Jadwiga Dzido hat große Probleme mit dem Gehen. Sie überlebt, weil Häftlinge ihr die Nummer einer verstorbenen Frau geben können und sie am Ende unter dem Fußboden der Baracke versteckt wird.
Als Zeugin der Anklage sagt sie im Ärzteprozess in Nürnberg aus. Nach dem Krieg beendet sie ihre Studien an der Universität Warschau und arbeitet dort viele Jahre als Apothekerin. Sie heiratet Józef Hass, der 1939 Offizier der polnischen Armee war, und bekommt mit ihm zwei Kinder.
Jadwiga Dzido stirbt am 10. Dezember 1985 in Warschau.
Quelle: Interview with Anna Hassa Jarosky, daughter of Jadwiga Dzido Hassa, May 2004. USHMM, Photo Archives.
Maria Kuśmierczuk
wurde am 20. Januar 1920 in Zamość geboren. Vor dem Krieg studiert sie Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität in Wilna (heute Vilnius). Im Herbst 1939 schließt sie sich einer Widerstandsorganisation an, in der sie für die Verbreitung illegaler Zeitungen zuständig ist.
Am 9. November 1940 verhaftet die Gestapo sie und verschleppt sie, zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester, in das Gefängnis in Zamość. Von dort kommt sie in das Gefängnis in Lublin, wo die Beamten der Gestapo Maria Kuśmierczuk foltern. Dennoch gelingt es ihr, keine Namen preiszugeben.
Nach drei Monaten, die sie in einem fensterlosen Verlies verbringen muss, wird sie mit dem Sondertransport vom 23. September 1941 ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort bekommt sie die Häftlings-Nummer 7888 und muss schwere Zwangsarbeit bei Bauarbeiten leisten, auch außerhalb des Lagers auf umliegenden Farmen. In der Kürschnerei muss sie aus Kaninchenfellen und Stroh Kleidungsstücke gegen die Kälte für deutsche Soldaten an der Front herstellen.
Am 7. Oktober 1942 gehört sie zu einer Gruppe von zwölf polnischen Frauen, die Opfer medizinischer Experimente werden. Maria Kuśmierczuk werden schwere Wunden am Bein zugefügt; mittels Tetanusbakterien und eines Gipses, der den Sauerstoff abhält, rufen die SS-Ärzte schlimme Entzündungen hervor. Monatelang liegt sie in der Krankenstation. Als sie entlassen wird, kann sie noch nicht wieder laufen, ihre tiefen Wunden sind nicht zugeheilt. Mithäftlinge, die ihr die Nummer einer verstorbenen Frau geben, können sie schließlich verstecken, und so überlebt sie das Lager.
Mit einer heimlich organisierten Kamera gelingt es Häftlingen, im Lager Aufnahmen von Maria Kuśmierczuks verstümmeltem Bein zu machen und diese bis zur Befreiung zu verstecken.
Maria Kuśmierczuk sagt als Zeugin bei den Nürnberger Prozessen aus. 1946 beginnt sie ein Medizinstudium an der Medizinischen Universität von Gdańsk. Viele Jahre arbeitet sie in der Abteilung für Radiologie der Universität.
Maria Kuśmierczuk stirbt am 29. November 1989.
Quelle: Janusz Tajchert sowie Anna Jarosky für das United States
Holocaust Memorial Museum.
Władysława Karolewska
(verheiratete Łapińska)
Zeugin der Anklage im Nürnberger Ärzteprozess 1946/47
wurde am 15. März 1909 in Żuromin geboren. Vor dem Krieg ist sie Kindergärtnerin in Graudenz. Bei Ausbruch des Krieges befindet sie sich in Lublin, wo sie als Kurierin in einer Widerstandsbewegung aktiv ist. Nach fast eineinhalb Jahren, am 13. Februar 1941, werden sie und ihre beiden Schwestern sowie ihre beiden Schwager von der Gestapo erwischt. Die Polizeibeamten verhören und foltern sie, um die Namen weiterer Mitglieder der Widerstandsgruppe zu erpressen.
Zusammen mit ihrer Schwester Helena Piasecka wird sie mit dem Transport vom 23. September 1941 ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort bekommt sie die Häftlings-Nummer 7918 und muss schwere Zwangsarbeit leisten, unter anderem bei verschiedenen Bauarbeiten.
Insgesamt wird Władysława Karolewska, die von ihren Kameradinnen im Lager liebevoll Dziunia genannt wird, sechs Zwangsoperationen unterzogen, zum ersten Mal am 14. August 1942, wobei ihr die SS-Ärzte Knochen aus dem linken Bein entfernen. Sechs Monate verbringt sie im Krankenrevier und kann erst im Februar 1944 wieder gehen, jedoch ohne dass die Wunden verheilt sind.
Nach ihrer Rückkehr nach Warschau am 28. April 1945 kann sie nicht mehr in ihrem Beruf als Vorschullehrerin arbeiten. Władysława Karolewska leidet ihr ganzes Leben unter chronischen Schmerzen; ihre Beine schwellen immer wieder an, und von Zeit zu Zeit brechen die ihr in den Zwangsoperationen zugefügten Wunden wieder auf.
Als Zeugin der Anklage tritt sie im Nürnberger Ärzteprozess auf. 1948 heiratet sie Stefan Łapiński, einen Überlebenden von Majdanek. Ihre Schwester, Helena Piasecka, die ebenfalls Opfer der medizinischen Experimente im KZ Ravensbrück wurde, wandert in die USA aus.
Władysława Karolewska-Łapińska stirbt am 22. März 2002 in Lublin.
Maria Janina Broel-Plater
(verheiratete Skassa)
Zeugin der Anklage im Nürnberger Ärzteprozess 1946/47
wurde am 18. Dezember 1913 in Warschau geboren. 1936 beginnt sie eine pharmazeutische Ausbildung. Im September 1939 wird sie mit Teilen der Armee und dem Personal des Soldatenkrankenhauses nach Ungarn deportiert, von wo sie ein Jahr später nach Polen zurückkehren kann. Dort schließt sie sich der Widerstandsbewegung an und leitet eine Gruppe von Kurieren.
Die Gestapo verhaftet sie am 12. Juni 1941 in Terespol, im Gefängnis Lubliner Schloss wird sie schwer gefoltert.
Mit dem Sondertransport vom 23. September 1941 wird sie in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort bekommt sie die Häftlings-Nummer 7911 und muss schwerste Zwangsarbeit im Straßenbau leisten.
Am 23. November 1942 wird sie im Lager zwangsoperiert. Dabei werden ihr an den Unterschenkeln Wunden zugefügt, die man mit Gasbrand infiziert. Als sie vier Wochen später wieder arbeiten muss, sind ihre Beine noch nicht verheilt.
Im März 1943 protestiert sie mit anderen sogenannten Versuchskaninchen bei der Lagerleitung gegen die Operationen. Im Februar 1945 beschließt die Lagerleitung, die noch lebenden Versuchsopfer zu töten. Die bedrohten Frauen nutzen das Chaos der letzten Kriegsmonate, um zu überleben. Maria Broel-Plater näht sich die Nummer einer verstorbenen Mitgefangenen an die Kleidung. So gelingt es ihr, im Lager „unterzutauchen“. Am 23. April 1945 wird sie durch die Rote Armee befreit.
Zusammen mit drei anderen Versuchsopfern sagt sie am 19. Dezember 1946 beim Nürnberger Ärzteprozess aus. Erst jetzt erfahren die Frauen, wozu die Versuche dienen sollten.
Chronische Schmerzen in den Beinen begleiten Maria Broel-Plater ihr ganzes Leben. 1953 heiratet sie Stanisław Skassa. 1995 schildert sie ihre Erlebnisse in dem Dokumentarfilm „Man nannte uns Kaninchen“ von Loretta Walz.
Am 21. Februar 2005 stirbt Maria Broel-Plater-Skassa im Alter von 91 Jahren in Warschau.
Quelle: Janusz Tajchert. Janusz Tajchert ist ein Verwandter von Henryka Bartnicka-Tajchert, einer Überlebenden von Ravensbrück. Er hat viele Informationen auf seiner polnischen Webseite veröffentlicht: http://tajchert.w.interia.pl.